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09.10.2025

Leben

Leben mit Prostatakrebs

Kurt Walsers Weg zwischen Akzeptanz und Gestalten

Für das Gespräch kommt Kurt Walser einmal mehr ins Zürcher Seefeld. Die Räumlichkeiten kennt er seit 2019 – hier wird er behandelt, hier ist er inzwischen zu Hause im medizinischen Alltag. Von aussen ist ihm die Krankheit nicht anzusehen. Worte, Argumente, Debatten – das war lange seine Welt, nicht nur, aber vor allem durch seine Tätigkeit in der politischen Kommunikation geprägt. 2010, mit 61 Jahren, veränderte sich alles: Die Diagnose Prostatakrebs stellte sein Leben auf den Kopf. Seitdem lebt er mit einer Erkrankung, die ihn herausfordert – und ihm zugleich eine neue Sicht auf das Leben gegeben hat.

«Nicht kämpfen, sondern gestalten»

«Die Angst ist oft da – aber sie bringt mich nicht um», sagt er. Dieser Satz beschreibt seine Haltung. Für Walser geht es nicht darum, unablässig zu kämpfen. Sein Leitsatz lautet: nicht kämpfen, sondern gestalten.

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...Aber ich habe gelernt: Man darf nicht einfach abwarten.

Er akzeptiert die Krankheit als Teil seines Lebens, ohne sie zu verdrängen. Viele Therapien schlugen nicht wie erhofft an, Medikamente verloren ihre Wirkung, eine Operation half nur vorübergehend. «Ich habe früh gespürt: Ich muss selbst mitgestalten.» Immer wieder stellte er Fragen, suchte nach Alternativen, brachte eigene Ideen ein – manchmal gegen Widerstände. So setzte er etwa eine Operation und später eine Bestrahlung durch, die Ärztinnen und Ärzte zunächst für wenig aussichtsreich hielten. «Am Ende war der Tumor weg – wenn auch nicht für immer. Aber ich habe gelernt: Man darf nicht einfach abwarten.»


Und er hat in diesen Jahren viele Ärztinnen und Ärzte gesehen, unterschiedliche Meinungen gehört, verschiedene Wege kennengelernt. Doch er wollte nie bloss passiv Patient sein.

Mitreden, nicht nur nicken

Walser beschreibt sich deshalb als Patienten, der verstehen und mitdenken möchte. «Ich will kein Patient sein, der einfach nickt», sagt er. Wichtig ist ihm ein Miteinander auf Augenhöhe – mit Ärztinnen und Ärzten, die er respektiert und schätzt, und die ihn respektieren. Diese Haltung hat ihn geprägt. Nicht klein beigeben, sondern den eigenen Weg mitgestalten. Nicht blind vertrauen, aber auch nicht misstrauen. Gestalten im besten Sinne: zusammen mit den Behandelnden, nicht gegen sie.

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Nicht blind vertrauen, aber auch nicht misstrauen. Gestalten im besten Sinne: zusammen mit den Behandelnden, nicht gegen sie.

Offenheit als Haltung

Lange sprach Walser nicht über seine Erkrankung. Während er noch arbeitete, behielt er sie für sich – er redete nicht darüber, sondern hielt die Krankheit aus. Erst später machte er den Schritt in eine Selbsthilfegruppe. Anfangs belächelte er die Idee, doch nach dem ersten Besuch erkannte er, wie wertvoll dieser Austausch ist. «Dort wird ehrlich geredet, auch über Dinge, die sonst tabu sind – Inkontinenz, Sexualität, Nebenwirkungen.» Offenheit bedeutet für ihn Befreiung eine Bereicherung. Sie nimmt der Scham die Schärfe und schenkt neue Kraft.

Alltag mit Einschränkungen

Natürlich hat die Krankheit tiefe Spuren hinterlassen. Walser lebt mit Gleichgewichtsproblemen – eine Nebenwirkung der Therapie, die ihn bis heute begleitet. «Wenn ich länger gesessen bin und dann aufstehe, wanke ich manchmal, als hätte ich zu viel getrunken», sagt er. Für Aussenstehende mag das irritierend wirken, für ihn ist es im Alltag oft peinlich. 


Trotzdem lässt er sich davon nicht bestimmen. Er hat gelernt, vorsichtiger zu gehen und Situationen zu vermeiden, in denen er unsicher stehen könnte. «Es belastet mich, ja. Aber es gehört jetzt zu mir», sagt er nüchtern. Ein guter Tag ist für ihn deshalb einer, an dem er sich körperlich stabil fühlt, sich normal bewegen kann und kleine Routinen pflegt.
Verglichen mit den ersten Jahren nach der Diagnose beschreibt er sich heute als «lockerer gewordener Mensch». Die Krankheit hat ihn gelehrt, loszulassen und vieles gelassener zu sehen.

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Die Krankheit hat mich gelehrt, loszulassen und vieles gelassener zu sehen.

Kein Todesurteil

«Prostatakrebs ist kein Todesurteil», betont Walser. Seit 15 Jahren lebt er mit der Erkrankung – palliativ, wie es offiziell heisst. Doch palliativ bedeutet für ihn nicht Stillstand. «Ich habe trotz allem ein gutes Leben – vielleicht sogar ein besseres, weil ich gelernt habe, was wirklich zählt.»

Wünsche für die Zukunft

Grosse Lebensziele verfolgt er nicht mehr. «Ich muss eigentlich nichts mehr erreichen. Seit längerem arbeite ich daran, jeden Tag loslassen und gehen zu können – in Frieden mit mir und meiner Umwelt.» Aber ein Wunsch bleibt dennoch: die Enkel beim Schulstart zu erleben, sie ein Stück ihres Weges zu begleiten.
 

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Ich muss eigentlich nichts mehr erreichen. Seit längerem arbeite ich daran, jeden Tag loslassen und gehen zu können – in Frieden mit mir und meiner Umwelt.

Kurt Walser, Jahrgang 1949, lebt seit 2010 mit Prostatakrebs. Sein Weg war von Rückschlägen geprägt, aber auch von Gestaltungswillen, Offenheit und Akzeptanz. Sein Leitmotiv ist klar: Nicht kämpfen, sondern gestalten. Trotz Krankheit sagt er heute: „Ich habe immer noch ein gutes Leben und ich bin sehr zufrieden.“

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